"Alles richtig gemacht"

„Es ist schön zu sehen, dass es weitergeht“, sagt Marianne Groß. Die Lippstädter Unternehmerin hat mit Kristina Hardok die passende Nachfolgerin gefunden, in deren Hände sie ihren Betrieb „WVS Versand Service“ übergeben hat. Unterstützt wurden sie dabei von Mentor Manfred Althaus.

Gut 20 Jahre lang hat Marianne Groß ihr Unternehmen geführt. Sie selbst hatte den Betrieb 1999 übernommen. Damals wurden hauptsächlich Werbung und Prospekte für Kunden verpackt und verschickt. Marianne Groß hat das Angebot an einem neuen Standort im Gewerbegebiet Am Wasserturm ausgebaut. Und so verschickt WVS heute zwar auch noch Prospekte, verpackt und versendet aber auch alles vom kleinen Weihnachtspäckchen für Privatkunden bis hin zum Sperrgut für Großkunden  – und, dank des nötigen Know-how, qualifiziertem Personal und Zertifizierung, Spezialartikel wie zum Beispiel Elektrotechnik für die Luftfahrt oder auch für Medizintechnik, Sportartikel sowie Werbematerial aller Art.

Marianne Groß hat mit viel Leidenschaft ihr Unternehmen geführt. Umso schwerer ist ihr die Entscheidung vor vier Jahren gefallen, den Betrieb mit rund 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abzugeben. „Wäre mein Mann nicht erkrankt, dann hätte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht aufgehört“, sagt sie. So aber begann die Unternehmerin zu überlegen, wer ihr nachfolgen könnte. Und weil damals die Mutter von Kristina Hardok bei ihr arbeitete, entstand schnell der Kontakt zu der damals 25-Jährigen.

„Ich habe zu der Zeit noch als Export-Mitarbeiterin in einem anderen Unternehmen gearbeitet. Aber für mich stand immer fest, dass ich mich gerne einmal selbstständig machen möchte“, berichtet Kristina Hardok. Und so wurde die junge Lippstädterin eine von insgesamt drei Bewerbern, die sich für das Versand-Unternehmen interessierten. Als für Marianne Groß feststand, dass sie sich Kristina Hardok als Nachfolgerin vorstellen kann, hat sie die gelernte Industriekauffrau in ihrem Betrieb angestellt. So konnte Kristina Hardok insgesamt vier Monate lang den Versandbetrieb richtig kennenlernen.

„Frau Hardok hat sich von den anderen Bewerbern mit ihrer Begeisterung, ihrem Mut und ihrem Willen, das Unternehmen weiterzuführen, abgehoben“, berichtet Manfred Althaus, der als Mitglied des Mentoren-Service Inhaberin und Nachfolgerin während des Übernahmeprozesses begleitet hat. „Wenn es um Unternehmensnachfolgen geht, dann ist nie allein die fachliche Kompetenz entscheidend, sondern immer auch das Menschliche.“

Als ehemaliger Unternehmer ist Manfred Althaus seit neun Jahren Mitglied des Mentoren-Service. In diesem Ehrenamt begleitet er regelmäßig Existenzgründer und Unternehmer auf der Suche nach einem Nachfolger. Und gerade die Nachfolgeregelung sei kein einfaches Unterfangen, wie er sagt. „Unternehmerinnen und Unternehmer stecken viel Zeit und Herzblut in den Aufbau und die Führung ihrer Betriebe. Deshalb spielen nie allein Fakten eine Rolle, sondern immer auch Emotionen. Und diese Tatsache kann mitunter einer schnellen, reibungslosen Nachfolgeregelung etwas im Wege stehen.“ Daher sollte eine Betriebsübergabe ohne Zeitdruck, geplant und ausgearbeitet werden. Bei Marianne Groß und Kristina Hardok sei es deshalb ein enormer Vorteil gewesen, dass die Chemie von Anfang an gestimmt habe.

Inhaberin und Nachfolgerin wiederum freuten sich über die Unterstützung durch den Mentor, zum Beispiel bei der Aufstellung von Rentabilitäts- und Businessplan, bei Bankgesprächen sowie bei der Kaufpreisfindung. Dabei gab es durchaus einige Hürden zu überwinden. „Dazu zählten unter anderem das Alter von Frau Hardok und die Tatsache, dass nicht sehr viel Eigenkapital vorhanden war, aber auch der Umstand, dass das Unternehmen zu 80 Prozent von einem Großkunden lebte“, berichtet Manfred Althaus. „Da wollte die Hausbank nicht mitziehen.“ Deshalb habe man sich entschlossen, einen ungewöhnlichen Weg zu gehen, wie er sagt. „Wir suchten erst das Gespräch mit der Bürgschaftsbank. Mit betriebswirtschaftlichen Daten, Rentabilitäts-, Businessplan und einer persönlichen Einladung zur Betriebsbesichtigung haben wir Überzeugungsarbeit geleistet. Nachdem die Bürgschaftsbank ihre Unterstützung signalisiert hatte, fanden wir auch eine neue Hausbank zur Projektbegleitung.“ Es folgte die Ausarbeitung weiterer Details: Der Großkunde bestätigte, dass er weiterhin an der Zusammenarbeit mit WVS interessiert sei und die Familie Groß unterstützte Frau Hardok mit einem Verkäuferdarlehen. „Damit war die Betriebsübergabe schließlich möglich“, sagt Manfred Althaus.

„Ich bin ganz am Anfang ein wenig skeptisch gewesen, den Betrieb an einen so jungen Menschen weiterzugeben“, sagt Marianne Groß. „Aber junge Menschen haben auch viele neue Ideen und das ist für ein Unternehmen gut. Und ich bin sehr froh, dass wir Herrn Althaus an unserer Seite hatten. Heute weiß ich: Alles richtig gemacht.“

Seit dem 1. Januar 2020 ist Kristina Hardok offiziell Inhaberin von WVS Versand Service. Und hinter der 28-Jährigen liegt keine ganz einfache Zeit, denn ihr Weg in die Selbstständigkeit begann, als sich auch in Deutschland das Coronavirus ausbreitete. Ihrer Leidenschaft für ihren Betrieb und ihrem Willen, etwas zu bewegen, hat das allerdings nicht geschadet. „Wann immer ich jetzt auch Hindernisse überwunden oder erfolgreich große Aufträge erledigt habe, bin ich stolz, es geschafft zu haben“, sagt die Unternehmerin und schmiedet bereits Pläne für die Zukunft. „Wir müssen zwar abwarten, inwieweit uns die Corona-Pandemie in der Zukunft noch beeinflusst, aber mein Ziel ist es, das Unternehmen weiterzuentwickeln und zu wachsen.“


(Text: Silke Wrona)